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Weltanschauungen
Text 63 Min.

Christlicher Wahrheitsanspruch im Zeitalter des Postmodernismus


Nochmal: Sollten wir nicht versuchen, postmodern geprägte Menschen dadurch zu gewinnen, daß wir die Wahrheitsbehauptungen und die Lehre des Christentums in den Hintergrund und Gefühl und Beziehungen in den Vordergrund stellen? Sind nicht die Wahrheitsbehauptungen und die Lehre des Christentums etwas Trockenes? Aus dieser Haltung heraus entstehen Predigten und Lieder, die versuchen, Gefühle anzuregen und sie nicht durch trockene Lehre zu stören.


Warum hatten eigentlich die geistlichen Lieder der Reformation so viele Strophen? War das nur für jene Zeit geeignet, die eben noch nicht postmodern war? Das Christentum hat ein besonderes Verhältnis zur Wahrheit. Es gibt Religionen, die durch andere Dinge als Lehre auf das Bewußtsein wirken. In buddhistischer Meditation versucht man, alle Gedanken beiseite zu schieben und sich ganz zu entleeren, bis man in einem Zustand des Wohlgefühls ist, in dem einem nichts mehr beunruhigt, ohne Spannungen und ohne Streit. Das ist das, wonach sich heute viele Menschen sehnen: Hört doch auf mit all dem Streit über Lehren, sagen sie, habt euch einfach lieb und entspannt euch! Andere Religionen bringen die Menschen durch Tanzen und durch Trommeln oder auch durch Drogen in Stimmung, in Trance. Ist das Christentum in diesem Bereich einfach ein bißchen ärmer? Hat man diesen Bereich des Gefühls und der Stimmung im Christentum vielleicht vernachlässigt?


Nein, das Christentum ist ganz anders als diese Religionen. Der christliche Glaube bewegt den Menschen noch viel umfassender und tiefer – aber nicht durch Sentimentalität wie „Es ist so schön, du bist mir so nah“, und nicht durch Trance und nicht durch Trommeln. Sondern: durch Wahrheit! Man kann versuchen, sich in Freude zu versetzen, indem man sich einredet „Ich freue mich“. Aber tiefer und erstrebenswerter ist eine Freude, die einen Grund hat. Deshalb heißt es in einem christlichen Lied: „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude“.


Die christliche Lehre gibt uns Grund zur Freude, zum Trost und für alles, was zum Leben als Christ gehört. Für alle Hingabe, alle Opfer, für alle zum Glauben gehörenden Handlungen und Gefühle haben Christen Gründe. Die christliche Lehre enthält diese Gründe. Der christliche Glaube ist auf eine Lehre gegründet. Das macht das Christentum zu einer überaus rationalen Religion. Es ist kein Zufall, daß die Philosophie im Christentum zur Blüte kam. Es gab immer Christen, die sich auf höchstem Niveau darum bemüht haben, die christliche Lehre im Detail auszubuchstabieren, Gründe für ihre Wahrheit zu finden und Einwände zu prüfen.


Studieren Sie zum Beispiel alte Gesangbücher. Hunderte über Hunderte von Liedern wurden gedichtet und gesungen, welche die christliche Lehre besingen und ins Herz bringen, so daß sie dort ihre Kraft entfaltet. Und uns Grund gibt zur Freude, zum Trost, zum Weitersagen des Evangeliums, zum Kämpfen für das Gute.
Katechismen und andere Bücher über die christliche Lehre helfen uns, die christliche Lehre besser zu verstehen und im Herzen zu tragen. Sie helfen uns auch dabei, das Evangelium besser weiterzusagen. Nicht zuletzt helfen sie uns dabei, Einwände gegen die christliche Lehre und überhaupt das Denken der Nichtchristen um uns herum zu verstehen und zu bewerten.


Quelle der christlichen Lehre ist natürlich die Bibel. Sie müssen wir studieren und mit Gebet in unser Herz bringen. Gellert dichtete in einem Lied: „Dein Wort ist wahr, laß immerdar mich seine Kräfte schmecken. Laß keinen Spott, o Herr, mein Gott, mich von dem Glauben schrecken.“ In Gottes Wort, in der Lehre, liegt die Kraft.
Christlicher Wahrheitsanspruch ist daher im Zeitalter des Postmodernismus wichtiger denn je. Gerade wenn der Wert und die Wichtigkeit des Strebens nach Wahrheit vielen nicht mehr bewußt ist, müssen wir uns bemühen, uns auf Wahrheit auszurichten und fest in der Lehre zu sein. In der Wahrheit liegt die Kraft.

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