Gott im Fadenkreuz
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Gott im Fadenkreuz. Warum der Neue Atheismus nicht trifft.
Ein Plädoyer für die Existenz Gottes! Der "Neue Atheismus" ist in Europa auf dem Vormarsch, selbstbewusster und kämpferischer denn je. Die Argumente gegen die Existenz Gottes sind aber längst nicht zwingend. Der bekannte Mathematikprofessor John Lennox nimmt den Ball auf. Engagiert und lebendig in der Sprache, brillant in der Gedankenführung, weist er nach, dass die Argumente der prominenten Vertreter der Neuen Atheisten sehr begrenzt sind: logisch nicht stichhaltig, wissenschaftlich nicht sauber genug.
Das Buch profitiert von den zahlreichen Debatten, die Professor Lennox mit führenden (Neuen) Atheisten führte, u.a. Richard Dawkins, Christopher Hitchens und Peter Singer.
ISBN: 978-3-417-26535-4
Verlag: SCM R.Brockhaus
Gebunden, 320 S.
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Dies ist die verschriftete und stark gekürzte Fassung eines Vortrags der SMD-Herbstkonferenz, die Form der mündlichen Rede wurde beibehalten. Die vollständige Audiodatei finden Sie zum Herunterladen unter heko.smd.org.
Gott ist schon seit längerer Zeit im Fadenkreuz der Atheisten, die bereits seit Friedrich Nietzsche seine Existenz leugnen. Doch allein damit geben sich die sogenannten „Neuen Atheisten“ nicht mehr zufrieden. So sagte der 2011 verstorbene Christopher Hitchens: „Ich bin weniger ein Atheist, als vielmehr ein Anti-Theist. Ich behaupte nicht nur, dass alle Religionen Versionen der gleichen Unwahrheit sind, sondern ich behaupte auch, dass der Einfluss der Kirchen und die Auswirkungen des religiösen Glaubens definitiv schädlich sind.“ Und der Evolutionsbiologe Richard Dawkins sagt: „Ich habe den Respekt vor der Religion, der uns wie mit einer Gehirnwäsche eingebläut wurde, endgültig satt.“ Dieser Neue Atheismus hat einen verheeren den Einfluss auf unsere Gesellschaft, Studenten und Schüler. Man kann die Agenda der Neuen Atheisten ganz einfach zusammenfassen: 1. Die Religion ist eine gefährliche Täuschung. 2. Daher müssen wir die Religion abschaffen, die Naturwissenschaft wird das erreichen.
Ist der Glaube blind?
Den Atheisten zufolge ist die Religion eine Täuschung, da sie auf Glauben basiere. Glaube wiederum würde nur eine unbegründete Überzeugung beschreiben. Ich verwende hierfür den Begriff „blinder Glaube“. Die Frage ist also: Ist der christliche Glaube an Gott blind oder beruht er auf Belegen? Der Philosoph Julian Baggini behauptet, der Glaube sei blind. Baggini beruft sich dabei auf eine Stelle im Johannes-Evangelium, in der Jesus zu Thomas, dem Zweifler, sagt: „Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du. Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.“ Heißt das, dass die Millionen Menschen, die Jesus nicht sahen und trotzdem an ihn glauben, dies ohne Begründung tun? Selbstverständlich nicht! Sehen ist nur eine Art von Beleg. Es gibt viele andere Arten. Bagginis Interpretation bewegt sich auf dem gleichen Niveau wie die Behauptung, nur weil man Schwerkraft nicht sehe, sei der Glaube an sie unbegründet. Der nächste Satz in der Johannes-Stelle heißt doch: „Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt.“ Und wie Jürgen Spieß gezeigt hat, sehen wir auch in der Geschichtswissenschaft, dass die Zeugnisberichte der Evangelien historischen Überprüfungen standhalten.
Der angesehene Literaturkritiker Terry Eagleton, der, soweit ich weiß, Atheist ist, schreibt: „Dawkins betrachtet allen Glauben als blind. Doch für die Hauptströmung des Christentums haben Vernunftargumente und ehrliche Zweifel immer eine unerlässliche Rolle im Glaubensleben gespielt.“ Ist der Glaube eine Wahnvorstellung? Glaube ist durch die Augen der Neuen Atheisten gesehen eine Wahnvorstellung. Das ist, nebenbei bemerkt, eine ziemlich alte Idee, mit der schon Paulus im Neuen Testament konfrontiert wurde.
Der Begriff Wahnsinn birgt technisch gesehen auch immer den Verdacht auf eine psychische Erkrankung. Dawkins definiert: Eine Wahnvorstellung ist eine festgelegte falsche Überzeugung, ein Symptom einer psychischen Erkrankung.
Natürlich ist der Glaube an ein fliegendes Spaghettimonster oder den Weihnachtsmann irrsinnig. In genau diese Schublade stecken die Neuen Atheisten aber den Glauben an Gott. Sie beziehen sich dabei auf Siegmund Freud, nach dem der Glaube an Gott eine Illusion sei. Christen würden ihre Wünsche auf eine fiktive Vaterfigur im Himmel projizieren, die ewiges Leben verspricht. Der deutsche Psychiater Manfred Lütz hat dazu unlängst eine interessante Bemerkung gemacht. Er sagt, dass die Freud’sche Erklärung für den Glauben der Christen sehr gut funktioniert – solange man voraussetzt, dass Gott nicht existiert. Wenn Gott aber doch existiert, zeigt das Freud’sche Argument gleichermaßen, dass der Atheismus eine tröstliche Wahnvorstellung ist, nämlich die Projektion des Wunsches, eines Tages Gott nicht (!) gegenübertreten und Rechenschaft für das eigene Leben geben zu müssen. Der polnische Literaturpreisträger Czeslaw Milosz schreibt: „Das wahre Opium fürs Volk ist der Glaube, dass nach dem Tod nichts kommt. Der große Trost zu meinen, dass wir für unseren Betrug, Gier, Feigheit, Morde nicht verurteilt werden.“ Lütz macht eindrücklich klar, dass Freud in der Frage, ob Gott existiert oder nicht, kein bisschen weiterhelfen kann.
Wie gesagt spricht Dawkins vom Glauben als Symptom einer physischen Erkrankung. „Wahn“ ist ja auch ein Terminus aus der Psychiatrie. Allerdings ist Dawkins kein Psychiater – und leider lässt er auch einige relevante Forschungsergebnisse der Psychiatrie außer Acht. Der ehemalige Präsident des englischen Royal College of Psychiatrists, Prof. Andrew Sims, hat Folgendes gesagt: „Die positive Korrelation zwischen Glauben und menschlichem Wohl ist das am besten gehütete Geheimnis der Psychiatrie.“ Dawkins meint im Namen der Wissenschaft zu sprechen, kennt aber die Literatur nicht.
Der Glaube der Atheisten Atheisten meinen, dass weder ihr Atheismus noch die Wissenschaft irgendetwas mit Glaube zu tun haben. Doch die Ironie dabei ist, dass der Atheismus eine Glaubensposition ist. So kann die Nichtexistenz Gottes nicht bewiesen werden, sie muss also als Glaube vorausgesetzt werden. Aber Glaube spielt noch eine tiefere Rolle. Kein Naturwissenschaftler kann sich mit der Wissenschaft beschäftigen, ohne am Anfang zu glauben, dass das Universum rational erklärbar ist.
Interessanterweise sagt der Physiker Paul Davis, der kein Theist ist, dass die richtige wissenschaftliche Einstellung im Grunde theologischer Natur sei: „Die Wissenschaft kann nur voranschreiten, wenn der Wissenschaftler eine grundsätzlich theologische Weltanschauung hat.“
Und von Albert Einstein stammen die berühmten Worte: „Wissenschaft kann nur von denen hervorgebracht werden, die ganz vom Streben nach Wahrheit und Verstehen durchdrungen sind. Dieses Gefühl aber entspringt der Religion. Dazu gehört auch der Glaube an die Möglichkeit, dass die Gesetzmäßigkeiten, die für die Welt der Existenz gelten, rational sind d.h., dem Verstand begreifbar.“ Ich kann mir, Einstein folgend, keinen Wissenschaftler ohne diesen tiefen Glauben vorstellen. Deshalb sage ich: Wissenschaft ohne Religion ist lahm. Religion ohne Wissenschaft ist blind.
Dies bringt mich zu der Frage: Wofür ist unser Verstand eigentlich zuständig? Ist unsere Erkenntnisfähigkeit gezielt dazu geschaffen, uns zum Entdecken, Erkennen und Glauben an die Wahrheit zu befähigen? Mir ist sehr wohl bewusst, dass manchen das Wort „geschaffen“ im Halse stecken bleiben wird.
Und mir ist ebenfalls bewusst, dass Atheisten per Definition jede gezielte Gestaltung durch einen Schöpfer leugnen. Doch selbst Atheisten glauben, dass der Verstand einen eigenen Zweck hat. Denn sie behaupten ja, der Glaube an die Existenz Gottes resultiere aus dem falschen Gebrauch des Verstandes. In diesem Sinne ist es also ihre Überzeugung, dass der Verstand dazu geschaffen ist, den Zweck der Entdeckung der Wahrheit zu erfüllen. Die Ironie dieser Position wird sofort deutlich, sobald man die Frage stellt: Was ist der Ursprung des menschlichen Verstandes?
Atheisten vertreten den Standpunkt, dass die treibende Kraft der Evolution, die am Ende unsere menschliche Erkenntnisfähigkeit hervorbrachte, in erster Linie überhaupt nichts mit der Wahrheit zu tun hatte, sondern mit dem Überleben und der Fortpflanzung. Sie sind im Grunde gezwungen, das Denken als eine Art neurophysiologisches Phänomen zu betrachten. Aus der Perspektive der Evolution mag die Neurophysiologie wohl anpassungsfähig sein.
Doch weshalb sollte man auch nur einen Augenblick lang meinen, dass die von dieser Neurophysiologie hervorgebrachten Überzeugungen überwiegend wahr sind? Wie schon der Chemiker J. B. S. Haldane vor langer Zeit zu bedenken gab: Wenn die Gedanken in meinem Verstand nur die Bewegung von Atomen in meinem Gehirn sind, ein Mechanismus, der durch geistlose, ungesteuerte Prozesse entstanden ist, warum sollte ich dann irgendetwas glauben, das mir dieser Verstand sagt? Einschließlich, dass mein Gehirn aus Atomen besteht?
Jüngst gab auch der bekannte amerikanische Philosoph Alvin Plantinga Folgendes zu bedenken: „Wenn Dawkins damit recht hat, dass wir das Produkt eines geistlosen und ungesteuerten natürlichen Prozesses sind, dann hat er uns einen starken Grund gegeben, an der Zuverlässigkeit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit zu zweifeln. Und damit auch an der Gültigkeit jeglicher Überzeugung, die sie hervorbringt – einschließlich Dawkins‘ eigener Wissenschaft und seines Atheismus.“ Dawkins‘ Ideologie und sein Glaube an den Naturalismus stehen also im Konflikt miteinander. Ein Konflikt, der nicht im Geringsten etwas mit Gott zu tun hat.
Noch interessanter ist das kürzlich erschienene Buch „Geist und Kosmos“ des namhaften Philosophen Thomas Nagel, der ein sehr strenger Atheist ist. Der Untertitel des Buches hat ziemliche Aufregung hervorgerufen und lautet: „Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist.“ Nagel schreibt: „Evolutionärer Naturalismus impliziert, dass wir keine unserer Überzeugungen ernst nehmen sollten. Auch nicht das naturwissenschaftliche Weltbild, von dem der evolutionäre Naturalismus selbst abhängt.“
Wir stehen also, wie es der angesehene deutsche Philosoph Robert Spaemann ausdrückt, nicht vor der Wahl zwischen Gott und der Wissenschaft, wie uns die Neuen Atheisten allzu gerne glauben machen wollen, sondern vor der Wahl, entweder an Gott zu glauben, oder aufzugeben, das Universum verstehen zu wollen. Spaemann bestreitet nicht, dass Atheisten ausgezeichnete Wissenschaft betreiben können. Aber er sagt vielmehr, dass es, wenn wir Gott aus der Gleichung ausklammern, keine rationale Basis für die Wissenschaft gibt. Damit gibt es auch keine rationale Basis für die Wahrheit.
Das ist ein wichtiges Argument. Atheismus scheint also zunächst die Rationalität des Menschen zu unterstützen, die nötig ist, um Naturwissenschaft zu betreiben. Doch letztendlich untergräbt er die Fundamente eines Vertrauens auf ebendiese Rationalität. Dagegen ist biblischer Theismus kohärent in seiner Erklärung, weshalb das Universum begreifbar ist.
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