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Theologie
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Ist Zweifeln erlaubt?

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Wie man mit einem Gefühl umgehen kann.

Neulich im Gottesdienst. Der Pastor liest einen Bibeltext aus dem Alten Testament vor: „Und Eva war…“, dann blättert er um, „150 Meter lang, 25 Meter breit und 15 Meter hoch. Und von innen und außen war sie ganz mit Pech beschmiert.“ Er hat aus der Geschichte von Adam und Eva vorgelesen und dann aus Versehen zu weit geblättert und nicht gemerkt, dass er in der Geschichte von der Arche Noah gelandet ist. Jetzt versucht er verzweifelt, diesen Text auszulegen: „Also: Dass Eva 300 Ellen lang, 150 Meter lang, 25 Meter breit und 15 Meter hoch war, das können wir uns durchaus vorstellen. Denn sie war immerhin die Mutter aller Menschen. Aber dass sie von innen und außen mit Pech beschmiert war, das müssen wir einfach glauben.“

Hier ist zweifeln nicht nur erlaubt, sondern angebracht. Wenn ein Zweifel dich zum Prüfen führt, ist es ein guter Zweifel. Du musst, als Christ, nicht einfach alles glauben. Zweifel zu haben, ist etwas Gutes. Viele wissenschaftliche Entdeckungen haben damit begonnen, dass jemand die bisherigen Antworten und Ergebnisse angezweifelt und in Frage gestellt hat. Wenn du nicht im Zweifeln stecken bleibst, sondern Antworten findest, dann hat der Zweifel etwas Gutes.

Schön wär´s, wenn das die einzigen Zweifel wären. Aber leider gibt´s da noch die anderen: Fragen, auf die du keine Antwort findest. Gedanken, die dir keine Ruhe lassen. Situationen die dich zerreißen und zur Verzweiflung bringen. Du würdest sie gerne abstellen, aber es gelingt dir nicht, sie kommen einfach immer wieder.

Als Jugendlicher waren es bei mir vor allem zwei Fragen, die mich nahe an den Rand der Verzweiflung gebracht haben: Warum lässt Gott das zu? Was wenn der Glaube nur Einbildung ist? Meine Freunde hatten keine Antwort. Die meisten verstanden noch nicht einmal mein Problem. Einer hat mir geholfen. Er konnte mir meine Fragen zwar nicht wirklich beantworten, aber er hat mich ernst genommen, mir zugehört und gemeinsam mit mir im Gebet Jesus meine Zweifel gebracht. Jesus hat mein Gebet erhört. Ich weiß bis heute nicht genau wie. Irgendwie war mir klar, dass es ihn wirklich gibt und er es gut meint und gut macht. Im Nachhinein kann ich sehen, wie diesen Zeiten meinen Glauben gefestigt haben, wie er sich bewährt und an Tiefgang gewonnen hat. Vieles, was ich bis dahin ungefragt von meinen Eltern übernommen hatte, ist zu meinem eigenen Glauben geworden.

In der Bibel habe ich entdeckt, dass für die Jünger von Jesus auch nicht immer alles (sofort) klar war. Trotzdem lässt Jesus weder Petrus absaufen, als er droht unter zu gehen (Matthäus 14,22-32) noch schickt er Thomas weg, weil er nicht glauben kann, dass Jesus auferstanden ist (Johannes 20,24-31).

Zweifel kann dich zur Verzweiflung führen, muss er aber nicht. Zweifel können deinen Glauben stärken. Dann, wenn der Zweifel dich zu neuer Gewissheit führt. Und auch dann, wenn du merkst, dass Jesus dich trägt und hält, auch wenn du nicht auf allen Fragen eine Antwort gefunden hast.

Am Ende seines Evangeliums berichtet Matthäus davon, dass Jesus seine Jünger als Missionare in alle Welt sendet (Matthäus 28,16-20). Interessanter Weise schreibt er, dass einige der Jünger zweifelten. Und was macht Jesus? Er schickt sie nicht weg, er sendet sie trotzdem!

Du musst nicht erst alle Fragen beantwortet haben, um glauben zu können. Du musst nicht erst zweifelsfrei sei, bevor du mit anderen über deinen Glauben und ihre Fragen ins Gespräch kommen kannst.

Ich habe bis heute nicht auf alle Fragen eine Antwort. Zu zweifeln gehört nach wie vor zu meinem Leben dazu. Ich versuche Antworten zu finden und bei Jesus zu bleiben – auch dann, wenn ich (noch) keine Antwort gefunden habe. Ich erlebe, wie er mich hält und dass andere Menschen oft viel lieber mit jemand reden, der auch Fragen und Zweifel hat, als mit jemand, der immer alle Antworten kennt.

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