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Naturwissenschaften
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Die moderne Kosmologie und die Feinabstimmung der Naturkonstanten

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Zusammenfassung des Artikels "Die moderne Kosmologie und die Feinabstimmung der Naturkonstanten auf Leben hin"

Die erste der drei von Freud formulierten Kränkungen der Menschheit handelt vom Übergang des geozentrischen in das heliozentrische Weltbild: Der Mensch erlebt sich zunehmend als einsam und unbedeutend in einem unermesslich großen Weltall. Diese Kränkung scheint durch neuere Entwicklungen der Kosmologie und durch ”anthropische“ Überlegungen überwunden zu sein. Der amerikanische Physiker Dyson formuliert: ”Wenn wir ins Universum hinausblicken und erkennen, wie viele Zufälle in Physik und Astronomie zu unserem Wohle zusammengearbeitet haben, dann scheint es fast, als habe das Universum in einem gewissen Sinne gewusst, dass wir kommen.“ Ist die Welt also doch für den Menschen gemacht?

Es wird zunächst ein knapper Überblick über den gegenwärtigen Stand der Kosmologie (Standardmodell) gegeben. Auch offene Fragen und neuere Entwicklungen werden angesprochen. Es wird dann die Bedeutung von Naturkonstanten in den grundlegenden Gesetzen aufgezeigt. Die moderne Astrophysik und Kosmologie ist heute so weit ausgearbeitet, dass sich Fragen vom Typ ” Was wäre, wenn ...?“ mit naturwissenschaftlichen Argumenten behandeln lassen. Dabei stellt sich heraus, dass bereits geringfügige Veränderungen an den Werten der bekannten Naturkonstanten fast immer zu einer völlig anderen Geschichte des Kosmos fuhren würden und dabei kein biologisches Leben entstehen könnte. Dies wird u.a. bei der Feinstrukturkonstante des Elektromagnetismus und der Konstanten der Starken Wechselwirkung gezeigt. Auch die Dimensionszahl von Raum und Zeit ist offenbar auf Leben hin abgestimmt. Besonders eindrucksvoll ist die präzis abgestimmte Kernchemie der Kohlenstoffentstehung.

Diese offensichtliche Feinabstimmung der Naturkonstanten auf Leben hin hat viele Wissenschaftler ganz unterschiedlicher Weltanschauung erstaunt und zu verschiedenen Deutungen geführt: ¨

1. Die Feinabstimmung wird auf ein Prinzip zurückgeführt: das Anthropische Prinzip. Es existiert in unterschiedlich starken Fassungen. Grundsätzlich ist die Einführung von Prinzipien in der Naturwissenschaft legitim und fruchtbar. Die Erklärungskraft des Anthropischen Prinzips ist allerdings problematisch und umstritten.

2. Die Feinabstimmung wird rundweg bestritten mit dem Hinweis, dass Leben ja auch auf einer anderen als auf Kohlenstoff-Basis entstanden sein könnte. Biochemische Fakten sprechen gegen dieses spekulative Argument.

3. Die Feinabstimmung wird – im Gegensatz zu 2 – als notwendig vorkommend und als verstanden angenommen. Hier wird mit naturwissenschaftlichen Spekulationen argumentiert, dass unser Kosmos nur einer von unendlich vielen mit unterschiedlichen Gesetzen und Konstanten ist. Einer davon – der unsrige – hat dann notwendigerweise die gerade passenden Gesetze und Konstanten. Diese Deutung ist weit verbreitet und naheliegend wegen der Analogie zu der sehr großen Zahl an Sternen, Sonnensystemen und Galaxien. Sie wird allerdings als nicht empirisch testbar angesehen und hat zum Zweck der Erklärung eines einzigen Problems in unserem Kosmos einen doch immensen ” Verbrauch“ an Kosmen! Die wissenschaftlichen Kommentare lassen hier weltanschauliche Vorentscheidungen sehr deutlich erkennen.

4. Die Feinabstimmung wird als Hinweis auf noch unbekannte gesetzmäßige Zusammenhänge angesehen. Dies führt zu einem durchaus berechtigten und fruchtbaren Arbeitsprogramm. So kann das sog. inflationäre Modell eine bestimmte Feinabstimmung des Standardmodells wegerklären. Allerdings braucht dieses Modell selbst feinabgestimmte Konstanten! Damit wird das Problem nicht gelöst, sondern offensichtlich nur verschoben.

5. Die Feinabstimmung wird als zufällig angesehen. Ist damit aber irgendetwas erklärt? Bei Ereignissen sehr geringer Wahrscheinlichkeit wird Zufall i.a. nicht als Erklärung akzeptiert. Hier muss der Begriff des Zufalls genauer analysiert werden. Zufällige Ereignisse brauchen keineswegs in jedem Kontext als plan- und absichtslos gedeutet zu werden.

6. Die Feinabstimmung wird als Design interpretiert: Ein Designer, eine Intelligenz hat den Kosmos geplant und wollte Leben ermöglichen. Diese Deutung ist keineswegs weniger plausibel als die bisher angeführten. Ihr finaler Charakter muss nicht als Konkurrenz zu einer kausalen Erklärung verstanden werden.

Die theistische Deutung sieht in der Feinabstimmung zwar keinen Gottesbeweis, aber doch einen Hinweis auf den christlichen Schöpfergott. Diese Deutung transzendiert den naturalistischen Erklärungsrahmen.

Die Designer-Deutung hat allerdings darin ihre Grenze, dass sie nur wenig Spezifisches über den Designer zu sagen weiß. Dass hier der Dreieine Gott, zu dem sich die Christen bekennen, am Werk ist, kann aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht deutlich werden. Aus biblisch-christlicher Sicht kann der Theologe Pannenberg jedoch weitergehen. Er zeigt, dass ich die Zufälligkeit der Naturkonstanten als Wahl Gottes deuten kann, die er zu meinen Gunsten getroffen hat. Zur Feinabstimmung schreibt er: ” [. . .] Theologische Interpretation darf über diese Feststellung hinausgehen zu der Aussage, dass sich in diesem Sachverhalt die auf die Inkarnation des göttlichen Logos in einem Menschen bezogene Ökonomie des göttlichen Schöpfungswerkes bekundet.“

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