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Geschichte
Text 12 Min.

Buch: Jesus für Skeptiker

"Die Christen müssten erlöster aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben soll." So hat Friedrich Nietzsche seine Skepsis gegenüber dem christlichen Glauben ausgedrückt. Vielleicht hatten Sie auch schon manchmal diesen Gedanken? Oder Sie sind skeptisch, weil Sie feststellen, Christen sind auch keine besseren Menschen. Fazit: Das Christentum hat versagt. Ist der christliche Glaube an einen Erlöser und die Auferstehung der Toten nicht nur pures Wunschdenken?

Und überhaupt: Wie passen Leid und die Liebe Gottes zusammen? Dr. Jürgen Spieß geht auf diese und andere Fragen ein und versucht, Antworten zu finden. Dabei belässt er es nicht bei frommen Stereotypen. Intelligent begegnet er den Zweifeln und fördert so manch überraschende Erkenntnis zutage.

SCM R. Brockhaus
15. Aufl. 2013, 128 S.
ISBN 3-417-26527-9

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Folgend ist ein Teil des Buches abgedruckt.

Jesus für Skeptiker

Der christliche Glaube ist kein blinder Glaube. Er beruht auf historischen Überlieferungen und persönlichen Erfahrungen. Bevor ich Christ wurde, war ich ein sehr skeptischer Mensch – und das bin ich teilweise bis heute.

Im Herkunftswörterbuch heißt es: „skeptisch = zweifelnd, misstrauisch, kühl abwägend betrachten, bedenken.“ Das zur Definition, was ein Skeptiker ist. Ich war Skeptiker nicht so sehr durch eigene Entscheidung, sondern vielmehr durch Erziehung. Mein Vater pf legte stets zu sagen, wenn ein Politiker im Fernsehen sprach: „Alles gelogen!“ Wenn meine Mutter erzählte, was die Nachbarin gesagt hat, der gleiche Satz: „Alles gelogen!“ Wenn Sie Ihr Leben lang diese beiden Worte hören, dann haben Sie gute Chancen, Skeptiker zu werden. Das hat mich sehr nachhaltig geprägt. Später habe ich dann bei dem Gießener Philosophen Odo Marquard gelesen, dass niemand mit völliger Skepsis leben kann. Wir müssen immer etwas glauben.

Die Frage ist, was wir glauben, wem wir glauben und wie unser Glaube jeweils begründet ist. Die Einstellung „alles gelogen“ oder „alles relativ“ ist nicht lebbar. Man kann das mit folgendem Satz karikieren: „Er war absolut überzeugt, dass alles relativ ist.“ Der Relativismus und die Bestreitung der Wahrheit bestehen grundsätzlich nicht den Selbstanwendungstest.

Ich war als Jugendlicher nicht nur ein intellektueller Skeptiker, der bezweifelt, dass die Worte, die er hört, wahr sind, sondern auch ein existenzieller Skeptiker. Das heißt, dass ich mir die Frage stellte: Hat das Leben einen Sinn? Oder ist alles sinnlos? Wofür lohnt sich der Einsatz des Lebens? Als ich dann in die Oberstufe des Gymnasiums kam, wurde ich mit einer neuen Aussage konfrontiert. Mein neuer Banknachbar war Christ. Er verblüffte mich mit der Aussage: „Jesus ist von den Toten auferstanden.“ Das war für mich eine außerordentliche Neuigkeit.

Ich war in dieser Zeit auch geprägt vom Existenzialismus Albert Camus‘, mit dem ich mich intensiv beschäftigt hatte. War mit dem Tod wirklich nicht alles aus? Auferstehung von Jesus bedeutete so, wie es mir erklärt wurde, dass das Ereignis nicht nur Auswirkung auf die damalige Geschichte, sondern auch Auswirkungen auf jeden Menschen hat. Damals war ich auch sehr interessiert an römischer Geschichte und ich fragte mich, ob die Auferstehung dem historischen Urteil irgendwie standhalten könne.

Indizien für die Auferstehung
Ich habe dann Alte Geschichte studiert, zuerst in Gießen, dann in München. Dort lehrte damals der „Papst“ der Althistoriker, Hermann Bengtson. Ich habe mich dann bei ihm als Doktorand viel mit der Frage der Auferstehung beschäftigt und viele Gespräche geführt. Historiker führen ja Indizienprozesse.

Das Ergebnis dieser Untersuchungen war für mich nicht, dass ich dadurch Christ geworden wäre; es war vielmehr die Erkenntnis, dass Historiker zu der Frage nach der Auferstehung, die mir eine rein theologische zu sein schien, doch etwas sagen können. Das fand ich erstaunlich.

Es gibt Indizien, die darauf hinweisen, dass die Auferstehung stattgefunden haben könnte. Man kann diese Indizien in drei Gruppen zusammenfassen:
1. Das leere Grab,
2. Die Begegnungen mit dem Auferstandenen,
3. Die Verwandlung im Leben der Jünger.

Wie will man erklären, dass die Jünger, die ja Juden waren, sich zusätzlich zum Sabbat noch sonntags zum Gottesdienst getroffen haben? Wie will man erklären, dass sie, die aus einer starken monotheistischen Tradition kamen, Jesus den Gekreuzigten als Gott angebetet haben? Immerhin heißt es ja, verflucht ist jeder, der gekreuzigt ist (5. Mose 21,23). Das ist ein außergewöhnliches Ereignis und bedarf einer Erklärung.

Es geht im christlichen Glauben in erster Linie nicht um Dogmatik und Lehre, sondern um Geschichte.

Erstaunlicherweise beginnt das Neue Testament mit den Evangelien, dann folgt die Apostelgeschichte und dann erst kommen die Briefe. Wir sollen etwas über die Geschichte erfahren, über das Handeln Gottes in Jesus Christus. Die Frage für Historiker lautet: Ist es wahr oder nicht? Das hat mich damals beschäftigt. Zur Skepsis gehört die misstrauische Betrachtung, das Prüfen aus einer Distanz heraus und Abwägen von Argumenten. Das ist nötig, weil ja nicht alles wahr ist, was wir sehen oder lesen.

Wir wissen, dass sogar Bilder lügen. Gleichzeitig aber war mir auch klar, dass es kein Leben aus der Distanz gibt. Man kann nicht auf Distanz lieben, man kann nicht auf Distanz Freundschaft leben.

Wir müssen verwundbar werden, indem wir einem anderen Menschen unser Vertrauen schenken. Wir müssen uns auf jemanden verlassen. Das ist ein sehr schönes Wort im Deutschen: Ich verlasse mich. Sonst wird es nie zu einer Freundschaft und zu einer tieferen Beziehung kommen. Ohne Vertrauensvorschuss keine tiefere Beziehung.

Daher lautete meine Frage: Wie komme ich weiter in puncto Jesus Christus? Mir war klar, wenn das stimmen sollte, was im Neuen Testament steht, hätte das enorme Auswirkungen auf mein Leben.

Damals stieß ich auf die Stelle aus Johannes 7, 17: „Wenn jemand bereit ist, Gottes Willen zu erfüllen, wird er erkennen, ob das, was ich lehre, von Gott ist, oder ob ich aus mir selbst heraus rede.“ Das war für mich ein ganz entscheidender Punkt.

Ich erkannte, dass das Prüfen von Argumenten und Aussagen wichtig ist – dass man aber dabei nicht stehenbleiben kann. Es muss eine Aufgabe der Distanz, eine konkrete Hinwendung zu Jesus Christus erfolgen. Das hat mich dazu geführt, dass ich zu dem Jesus gebetet habe, von dem mir gesagt wurde, er lebt und man kann mit ihm reden und mit ihm rechnen. Dieses Gebet war für mich die Überwindung der reinen distanzierten Betrachtung des christlichen Glaubens. So hat also mein Weg als Christ vor über 40 Jahren begonnen.

Konsequenzen der Auferstehung Wichtig für mich waren auch die Konsequenzen der Auferstehung. In 2. Korinther 1 schreibt Paulus, dass er einmal eine Situation erlebte, die so bedrängend war, dass er sogar am Leben verzweifelte. Und dann begründet er diese Erfahrung so: „Das geschah aber, damit wir unsere Hoffnung auf Gott setzten, auf den Gott, der Tote auferweckt.“ Es geht um Hoffnung und um Gebet. Das Gebetsleben eines Menschen ist der Ausdruck der Hoffnung, die er hat. Es bedeutet, ich setze meine Hoffnung auf Gott, ich kann nicht alles selber schaffen. Dieses Wort aus 2. Kor. 1 ist für mich ein Schlüssel für mein eigenes Leben.

Wie Sie wissen, hatte ich vor 36 Jahren einen sehr schweren Verkehrsunfall auf dem Rückweg von der DDR, wo ich zu Vorträgen eingeladen war. Im Auto waren mit mir meine Frau und unser kleiner Sohn. Ich habe den Unfall nicht mitbekommen, und als ich im Krankenhaus wieder zu mir kam, erfuhr ich, dass meine Familie nicht mehr lebt. Das ist eine kritische Situation, in der sich bewähren muss, was die Grundlage unseres Lebens ist.

Ich habe damals erlebt, dass mich Gott in seinem Wort angesprochen hat und dass Menschen mich besucht haben – beides ist eine Hilfe, die Gott schickt.

Was mir geholfen hat, ist sehr subjektiv und nicht immer übertragbar. Aber trotzdem möchte ich zeigen, wie das Handeln Gottes im Persönlichen konkret aussehen kann. Wir dürfen uns an den Gott wenden, der uns eingeladen hat zum Gebet. Wir müssen im Gebet nicht den fernen Gott herbeirufen, sondern wir dürfen den nahen Gott anrufen.

Mir hat auch geholfen – was mich dann dazu gebracht hat, mich noch stärker mit C.S. Lewis zu beschäftigen – dass meine Frau unmittelbar vor dieser Fahrt das letzte Buch der „Chroniken von Narnia“ las. Nach der Lektüre sagte sie mir: „Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich freue mich auf das Reich Gottes.“ Das war keine Vorahnung vom Sterben, das war etwas, worauf man kommen kann, wenn man dieses Buch liest.

Geholfen haben mir auch die Losungen in diesen Tagen. Am Todestag meiner Frau stand ausgerechnet ihr Lieblingswort aus dem Alten Testament in den Losungen: „Mein Los ist mir auf liebliches Land gefallen“ (Psalm 16,6). Das war für mich wie ein Gruß aus einer anderen Welt. Wir dürfen unser Vertrauen, unsere Hoffnung, unser Gebet auf den Gott setzen, der Tote auferweckt.

Entscheidend beim Thema Auferstehung ist für mich auch 1. Korinther 15. Das Kapitel endet hier mit dem Satz: „Weil Jesus von den Toten auferstanden ist, nehmt immer mehr zu im Werk des Herrn, wisset, dass euer Handeln im Herrn nicht vergeblich ist.“ Das war ja eine meiner Fragen aus der existenziellen Skepsis – ist nicht alles vergeblich, alles was wir machen, auch für andere, wenn alles mit dem Tode zu einem Ende kommt? Da sagt Paulus: Nein, das ist nicht das letzte Wort. Dass wir leben, ist nicht das Produkt von Zufall, Unfall oder Notwendigkeit, denn über der Welt steht ein liebender Schöpfergott.

Die Welt ist nicht grundlos, wie ich durch die Lektüre von Camus dachte.

Unser Investieren in Glaube, Liebe, Hoffnung ist nicht vergeblich, das ist die Bestätigung der Auferstehung. Von daher ist Auferstehung ein wichtiges Zeichen, auch für die Skeptiker.

Jesus für Skeptiker Skeptiker kommen im Neuen Testament ja auch vor, wie Thomas oder Nathanael. Thomas ist vielleicht nicht ein Skeptiker im modernen Sinne. Er möchte einen Beweis haben, dass die Jünger wirklich dem Auferstandenen begegnet waren. Er war misstrauisch, aber er ließ sich überzeugen. Nathanael ist schon eher ein Skeptiker.

Beide begegnen uns am Anfang des Johannesevangeliums und tauchen auch am Schluss wieder auf. In Johannes 21 gibt es eine Sonderoffenbarung von Jesus für eine kleine Gruppe der Jünger. Nathanael, Thomas und Petrus sind dabei. Man könnte sagen, dass Jesus sich besonders Zeit nimmt für die Leute, die besonders skeptisch sind. Es spielt eine Rolle, dass er weiß, dass wir Skeptiker sind und sein dürfen. Aber es ist wichtig, dass wir nicht in der Skepsis bleiben.

Das ist ein ganz entscheidender Punkt: Thomas ließ sich überzeugen, kam zu einem Bekenntnis und hat Jesus als Gott angebetet. Er hat die Distanz aufgegeben und kam zu Jesus. Und so schließe ich mit dem eingangs Gesagten: Der christliche Glaube ist kein blinder Glaube, sondern er beruht auf historischen Überlieferungen und Belegen und auf persönlichen Erfahrungen.

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