Glauben Sie, dass es den Himmel gibt?
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In der Palliativmedizin steht die spirituelle Begleitung gleichberechtigt neben der medizinischen und psychologischen. Erfahrungsbericht einer Ärztin.
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„Dann sind meine Tage also gezählt“, sagte die Patientin, nachdem ich mit ihr darüber gesprochen hatte, dass es keine medizinischen Möglichkeiten mehr gab, das Wachstum ihrer Krebserkrankung aufzuhalten. „Ihre Lebenszeit ist sicherlich begrenzt“, erwiderte ich. „Aber immer, wenn etwas nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung steht, dann wird es auch wertvoll. Und je begrenzter etwas ist, umso wertvoller wird es. Deshalb würde ich eher sagen: Ihre Tage sind wertvoll.“
Die meisten Menschen wünschen sich, nicht zu wissen, wann sie sterben werden. Einfach umfallen und weg sein, das wird allgemein als die beste Art zu sterben angesehen. Dahinter steckt oft die Angst vor unbeherrschbaren Schmerzen oder anderen körperlichen Leiden und davor, anderen zur Last zu fallen.
Palliativmedizin ist der Bereich der Medizin, der sich ganz bewusst Menschen zuwendet, die wissen, dass sie in absehbarer Zeit an einer nicht mehr heilbaren Erkrankung sterben werden. Das Ziel der hier tätigen Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Apotheker, Psychologen, Seelsorger und Angehörigen anderer medizinischer Berufe ist, dass Menschen am Lebensende ihre Zeit als wertvoll erleben können. Der entscheidende Unterschied zu allen anderen Bereichen der Medizin besteht darin, dass der Fokus nicht darauf liegt, Lebenszeit zu verlängern, sondern die für den Patienten bestmögliche Lebensqualität zu erzielen. Das beinhaltet herauszufinden, wo der Patient seine letzte Lebenszeit verbringen möchte (zu Hause, bei Angehörigen, im Hospiz), körperliche Symptome wie Schmerzen, Übelkeit, Luftnot, etc. bestmöglich zu kontrollieren und das möglich zu machen, was dem Patienten wichtig ist.
Mich bringt es immer wieder ins Nachdenken zu erleben, wie das Wissen, dass man nur noch wenige Wochen oder Tage leben wird, die Sicht von dem, was wichtig ist, verändert. Was am Lebensende wichtig ist und was Lebensqualität bedeutet, kann nur der Patient selbst entscheiden. Und so ist für mich jede Begleitung eines Sterbenden immer wieder ein neu zu findender und einzigartiger Weg. Eine Besonderheit auf diesem Weg ist, dass ich nicht nur Arzt bin, sondern ebenfalls ein Mensch, der einmal sterben wird. Irgendwann wird ein Rollentausch stattfinden und ich werde in der Rolle des Patienten sein. Damit Frieden zu schließen ist die Voraussetzung dafür, immer wieder mit Menschen bis zu dem Augenblick zu gehen, wo sie dieses Leben hinter sich lassen.
„Wie machst Du das nur“, fragte mich eine Kollegin einmal, „ich habe immer das Gefühl, ich muss da ganz schnell weglaufen.“ Das hätte ich bestimmt auch, wenn ich nicht um die Realität des Himmels wissen würde. Seit Jesus in meinem Herz auferstanden ist, hat der Tod für mich seinen Schrecken verloren. Mehr noch: Wenn ich jemanden bis an die Grenze zwischen dem Leben hier und dem Leben jenseits des Todes begleite, habe ich oft das Gefühl, ich stehe auf heiligem Boden.
Patienten, die dem Tod nahe sind, sind sensibel für das, was mit der Zeit nach dem Tod zusammenhängt. Und sie spüren, ob wir für uns die Antwort auf die Frage, was nach dem Tod kommt, gefunden haben oder nicht. So sagte einmal eine Patientin unvermittelt zu mir: „Ich glaube, Sie sind hier in der Abteilung diejenige mit dem heißesten Draht zu Gott.“ In der Palliativmedizin steht die spirituelle Begleitung gleichberechtigt neben der medizinischen und psychologischen.
Als junge Assistenzärztin traf ich auf eine Patientin, die an einer fortgeschrittenen Brustkrebserkrankung litt. Sie erzählte mir verzweifelt, dass sie ihr ganzes Leben hart gearbeitet habe, um jetzt in der Rente das zu genießen, was sie und ihr Mann sich aufgebaut hatten. Und jetzt müsse sie sterben.
„Glauben Sie, dass es den Himmel gibt?“ platzte es aus mir heraus. Die Patientin kannte Jesus als ihren Heiland, wie sie mir dann erzählte. Es hat uns beide getröstet, in dieser Situation zusammen beten zu können.
Die Frage „Glauben Sie, dass es den Himmel gibt?“ taucht seitdem immer wieder in meinen Gesprächen mit Patienten am Lebensende auf. „Nein“, antwortete einmal eine Patienten, „aber schön wäre es schon.“ Ich habe sie ermutigt, dieser Sehnsucht in ihr nachzugehen. Menschen am Lebensende nach ihrem Glauben zu fragen, in ihrem Glauben zu ermutigen und sie wissen zu lassen, an wen ich glaube – dazu muss ich kein Arzt sein. „Ich trage diesen Schatz in einem ganz gewöhnlichen, zerbrechlichen Gefäß“ sagt Paulus, der ja auch kein Arzt war (2.Kor 4,7).
Jeder, der diesen Schatz der Gegenwart Jesu in sich trägt, kann das Gefäß sein, durch das sich Jesus Sterbenden als ihr Hirte offenbaren möchte – ganz egal, ob wir dem Sterbenden als Arzt, Apotheker, Seelsorger, Kollege, Nachbar oder Freund begegnen. Das zu erleben, ist für mich immer wieder ein Geschenk und macht mich gewiss, dass Jesus auch mich auf meinem letzten Lebensweg als mein Hirte nicht alleine lassen wird.